Vernissage

Vernissage - Drehbuch von Ricardo Salva
VERNISSAGE DOSSIER
Champagner und Kaviar – trotz Finanz- und Kunstkrise ist für die "besseren" Kreise bes­tens gesorgt. Rote Teppiche und Spuren von Kokain liegen aus. Langusten und Sushi sind angerichtet. Das Fest kann beginnen. Leute von Rang und Namen feiern sich auf einer Vernissage, die ohne Kunstwerke aus­kommen muß, weil die Kunst kürzlich ver­storben ist. Den Stützen der Gesellschaft fällt das nicht auf, denn sie sind Liebhaber der Kunstfrei­heit. Damit auch der Scheich, der seine Milliarden in die Geschäfte der Kunstfreunde investieren soll, von der Kunst­losigkeit nichts erfährt, wur­den die leeren Leinwände vor­sorg­lich mit La­ken verhüllt. Ohne es zu ahnen hat man sei­nen Geschmack voll getroffen, denn der An­blick der vermummten Kunst versetzt ihn in Ver­zückung. Nur ein Künstler fehlt jetzt noch zum Abschluß des Geschäfts. Doch die letzten dieser Art haben sich längst der Überlebens­kunst verschrieben, und so wird rasch ein ob­dachloser Schauspieler en­ga­giert und dem Scheich als Künstler vor­geführt. Als ehemali­ger Marketingexperte ver­steht sich der Mann exzellent auf die Ver­marktung inhaltsloser Wa­re. Das Ge­schäft ist schnell in trockenen Tü­chern – und Europa von der Kunstfreiheit be­freit.
Im munteren Gemenge lassen sich Verbre­chen nicht ganz vermeiden. Der Scheich fühlt sich von seiner Lieblingsfrau gekränkt und ge­zwungen, sie zu erwürgen. Dabei stößt er ver­sehentlich gegen zwei Rechts­anwälte, die prompt die Gelegenheit zum Überreichen ih­rer Visitenkarten ergreifen. Den versehent­li­chen Mord nimmt man mit großem Verständ­nis auf. Hauptsache der Scheich ist wohlauf. Den Ver­lust kann er verschmerzen, denn er besitzt noch genug andere Frauen. Der ein­treffende Kommissar sieht keinen Anlaß zu ermitteln, da aus­ländische Familienangele­gen­heiten nicht in seine Zuständigkeit fallen. Als Kunstfreund fällt ihm allerdings das Feh­len der Kunst­werke auf. Der Verdacht des Kunstraubs drängt sich nachgerade auf, was zur vor­läufigen Festnah­me der Anwesenden führt. Nur der Scheich bleibt auf freiem Fuß. Als er die Leinwände enthüllt, muß er das gan­ze Ausmaß der Kunst­losigkeit verkraften.

In der Morgenpost wird vom "größten Kunst­raub dieser Geschichte" berichtet. Dunkle Ge­stalten hatten sich in den Mor­gen­stunden in den Ausstellungsraum ge­schlichen und die lee­ren Leinwände aus den Rahmen geschnit­ten. Das letzte Wort ist für einen Versiche­rungs­agenten reserviert: "Ver­sichern Sie Ihre Kunst bei uns, damit sich Kunstdiebstahl auch ren­tiert!"